Im Gespräch: Peter Stawowy (links) mit Frank Richter
„Es muss aufhören, dass die eine Seite die andere Seite als moralisch minderwertig diskreditiert“, erklärt Frank Richter,
Direktor der Landeszentrale für politische Bildung und Moderator der „
Arbeitsgruppe 13. Februar“, mit Blick auf die monatelangen zähen Verhandlungsrunden der 20 Mitglieder, im Gespräch mit Journalist Peter Stawowy jüngst im Presseclub Dresden. Dabei kann man dem verdienstvollen ehemaligen Jugendpfarrer, Volksverteter am Runden Tisch der Wende und
Erich-Kästner-Preisträger 1995 des Presseclubs Dresden, die Verstimmung noch im Gesicht ablesen. Er sei verschnupft, entschuldigt sich Richter.
Nicht nur die politischen Parteien, sondern auch die bürgerlichen Parteiungen seien das Problem in Dresden, erklärt er. Sein Grundsatz sei: Die Parteien könnten sich auch dadurch profilieren, dass sie bei der Lösung der Probleme durch Nazi-Aufmärsche am 13. Februar zusammenstehen. Dabei stieß er unter den Beteiligten immer wieder auf Züge einer „Verhinderungsmafia“, nach dem Motto: Warum soll ich jetzt mit anderern zusammenarbeiten, mit denen ich sonst nichts zu tun haben will? Aber, fordert Richter, wenn es gegen die Feinde der Demokratie gehe, solle man Animositäten beiseite lassen, auch in harten Diskussionen um eine Einigung zu „Demonstration in Hör- und Sichtweite der Neonazis“.
Mit enormem Kraftaufwand und immer entlang am „moralischen Harakiri“ schaffte Frank Richter das notwendige Vertrauen zwischen der von der Oberbürgermeisterin Helma Orosz handverlesenen „Arbeitsgruppe 13. Februar“ und dem „Bündnis Dresden nazifrei“ und zuletzt sogar die einmütige Kreisbildung der unvereinbar scheinenden politischen Quadratur, bei drei Enthaltungen. Gratulation! Dieser einmalige Konsens sei sehr fragil, betont der Moderator. Die Präsenz der Polizei habe wesentlich zur Deeskalation beigetragen und die Feier mit weißen Rosen auf dem Heidefriedhof habe die wünschenswerte Menschenwürde besessen, lobt Frank Richter.
Persönlich könne er auch ohne 13. Februar leben, gesteht Richter, brauche auch keine Hör- und Sichtweite, könne aber verstehen, dass Bürger aus eigenem Erleben an diesem stillen Gedenktag innehalten wollen. Aber gerade an dieses oft propagierte „stille Gedenken“ der Dresdner ohne irgendeine erklärte Zielrichtung wie Toleranz oder Gewaltfreiheit, konnten die Neonazis ebenso „still und heimlich“ andocken.
Kein Nazi würde als Nazi geboren, betont Frank Richter, sondern durch Jugendfrust, Arbeitslosigkeit, Erlebnishunger und familiäre Sozialisation in derartige Gruppen hineingezogen. Deshalb müsse es nicht „Nazis raus!“, sondern “Nazis rein!“ heißen, rein in die formende, integrierende, verständnisvolle Gesellschaft. „Die Unterrichtversorgung im Fach Ethik beträgt in Sachsen nur einen Prozentteil der vom Schulgesetz geforderten Stundenzahl“, klagt der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung.
Sachsen habe die meisten rechtsextremen Aktivitäten in der Bundesrepublik und sei nicht „immun gegen Rechtsextremismus“, wie immer wieder behauptet werde. Die sächsische „Leuchtturm-Politik“ für Leipzig, Dresden und Chemnitz müsse geändert werden, denn vor den Leuchttürmen sei es naturgemäß in der Landschaft finster. Da helfe auch die Pisa-Studie nichts.
Was die Arbeitsweise betrifft, brauche die Stadt einen neutralen Moderator. Während der Diskussion mit der Arbeitsgruppe seien auch die Medien seine Freunde gewesen. „Ich hatte nur Freunde in dieser Zeit“, schmunzelt Richter. „Wenn jemand sehr viel Zeit hat, Menschen liebt, gern denkt, redet, Kröten schluckt und sehr flexibel ist, dann sollte er das nächste Jahr die Moderation übernehmen.“ Roland Fröhlich