Intendant Kilian Forster im Gespräch
Als Kilian Forster im Februar 2020 vom Presseclub und dem Hilton Dresden zum 11. Grünkohlkönig gekürt wurde, hieß es schnell, ein unpolitischer Kandidat. Es bleibt zu bezweifeln, ob das je gestimmt hat, aber mit der Corona-Pandemie änderte es sich schlagartig. Kilian Forster drängt in die Öffentlichkeit, er bezieht deutliche Positionen und eckt dabei häufig an.
Er hat die Clubmitglieder zu einem Konzert der Jazztage Dresden in die Ostra-Studios eingeladen. Im Gespräch mit der stellvertretenden Presseclub-Vorsitzenden Sabine Mutschke stellt er seine Position dar. Eigentlich wollte der Intendant der Jazztage 2020 das 20-jährige Jubiläum groß feiern. Doch Corona macht ihm einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Auch das diesjährige Festival findet unter massiven Einschränkungen statt. Für Kilian Forster ist jedoch klar, es solle niemand ausgeschlossen werden. „Wir diskriminieren keinen, keine.“ Deshalb bietet er zu den Jazztagen kostenlose Corona-Tests an, damit auch nichtgeimpfte Besucher an den Konzerten teilnehmen können.
Zum Presseclubgespräch war fast die Hälfte der Konzerte der aktuellen Jazztage vorbei. „Wir waren zum Teil ausverkauft, ausverkauft heißt aktuell, 50 Prozent der möglichen Plätze“, sagt er und freut sich über die Begeisterung der Jazzfreunde. Allerdings haben auch Stars abgesagt und auch die Veranstalter mussten auf das eine oder andere Konzert verzichten, weil der Kartenverkauf zu schleppend verlief. Statt etwa eine Million Euro Einnahmen aus den Ticketverkauf wie 2019 seien es in diesem Jahr nur etwa 200.000 Euro. Die Jazztage haben zwar die „Novemberhilfe“ erhalten, es stehen allerdings mögliche Rückforderungen von anderen Fördermittelgebern im Raum.“
Große Sorgen macht sich Kilian zudem, weil der Freistaat aufgrund steigender Erkrankungszahlen verschärfte Regeln ab kommenden Montag plant. „Mit verpflichtendem 2G sind die Jazztage tot. Wir werden versuchen, so viele Konzerte wie möglich auf das kommende Wochenende zu verschieben“, kündigt er an.
Auch optisch hat sich Forster verändert, er lässt sich aus Protest seinen Bart wachsen bis Konzerte wieder ohne alle Einschränkungen möglich sind. Da die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen schon zwei Jahre andauern, hat dieser nun einen stattlichen Umfang.
Ausführlich stellt Forster in dem Gespräch dar, wie es im vergangenen Jahr zu den Jazztagen zu „freiwilligen Infektionsgruppen“ von jeweils zehn Personen in einer Sitzreihe kam. Das Hygienekonzept sei mit dem zuständigen Mitarbeiter im Dresdner Hygieneamt abgesprochen gewesen, sagt er und fühle sich an den Pranger gestellt. Damals habe es noch keine Maskenpflicht am Sitzplatz gegeben. Zudem gab es bei den Jazztagen einen zusätzlichen Maskenpflicht-Bereich für alle, die dies wünschten. Forster bedauert, dass er keine Gelegenheit gehabt hätte, im BILD-Beitrag auf die Vorwürfe des SPD-Gesundheitsexpertens Karl Lauterbach zu reagieren. Dieser hatte von „Menschenversuchen“ gesprochen.
Ordentlich angeeckt ist er auch, als er Ende Juni zum Konzert „Zigeunerjazz & More“ mit Roby Lakatos eingeladen hat. Wohlwissend, dass es über die Bezeichnung Streit gibt, hatte er wenige Tage zuvor im Interview mit einem Journalisten der Sächsischen Zeitung über dieser Musikrichtung und auch diese Bezeichnung, die Roby Lakatos auch selbst nutzt, gesprochen. Kunst und Korrektheit, das passe nicht zusammen, findet Kilian Forster. Schon am Tag nach dem Interview hatte sich Gjulner Sejdi vom Verband der Sinti und Roma in einem offenen Brief gegen die Verwendung des Z-Worts gewandt. Forster bedauert, dass der Verein sein Gesprächsangebot bisher negiert habe. Er sei weder Rassist, noch Nazi noch ein Freund der AfD, erklärt er. Vielmehr wolle er Brücken bauen.
Das trifft auch auf das folgende Konzert „Koreanische Nacht“ zu. Die Anregung dazu kam von Su Yeon Hilbert. Die Opernsängerin und Ehefrau von Dresdens Oberbürgermeister hat die Kontakte zum koreanischen Kulturzentrum geknüpft. Dessen Leiter Dr. Lee Bongki (im Koreanischen wird der Familienname zuerst genannt) begrüßte persönlich das Publikum, das dank der Förderung seines Zentrums freien Eintritt hatte.
Die Verbindung von östlicher und westlicher Kultur zeigten Dayoung Yoon am Gayageum, das ist eine Wölbbrettzither, und Sol Daniel Kim am Cello. Sie nennen sich einfach nach ihren Instrumenten CelloGaygeum und kombinieren eindrucksvoll die jeweiligen Musikkulturen und Instrumente. Da es dieses Duo zuvor nicht gab, schreiben sie auch alle Stücke selbst, erklärt der österreichische Cellist. Das Publikum ist begeistert und fordert mehrere Zugaben. Mit dem Begriff „vertraute Exotik“ fasst Kilian Forster am Ende den Auftritt zusammen.
Doch die nächste Überraschung folgt mit der extrem stimmgewaltigen Bora Kim und der Gruppe Sinnoi. Ihr Gesang ist eine Mischung von Volksliedern und klassischer koreanischer Hofmusik. Begleitet wird sie von Wonsol Lee am Bass sowie vom Zither-Spieler Jungseok Lee. Die elektronischen Sounds des Klangkünstlers GODAM bereichern den ungewöhnlichen Auftritt. Der Name der Gruppe Sinnoi geht übrigens auf eine der ältesten traditionellen Schamanenmusik zurück.
Die teilnehmenden Presseclubmitglieder waren von dem außergewöhnlichen Musikerlebnis beeindruckt und überrascht. „Ein rundum gelungener Abend inklusive eines guten Gesprächs zum Nachdenken und Diskutieren – danke für die Offenheit!“, so Sabine Mutschke.
Text und Fotos: Bettina Klemm