Die sächsische Ministerin Petra Köpping (SPD) zu Gast im PresseclubAls Sozialministerin Petra Köpping am Montag den Presseclub besuchte, hatte Sachsen exakt 112 Menschen gemeldet, die an dem Corona-Virus erkrankt waren. 61 wurden stationär behandelt, sechs lagen auf einer Intensivstation. Die Zahlen steigen zwar weiter, aber sie seien nicht besorgniserregend. Im Vergleich zu anderen Bundesländern liegen die Erkrankungszahlen in Sachsen weit unter dem Durchschnitt. Doch im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Presseclubs Dresden Andreas Weller warnte die Ministerin: „Es ist noch nicht vorbei“.
Als sie im Januar von Erkrankungen in China erfuhr, hielt sie es noch für wenig wahrscheinlich, dass das Virus nach Europa kommt. Anders sei es gewesen, als sie Ende Februar die Bilder aus dem italienischen Bergamo gesehen hat. Am 2. März beschloss Sachsen die ersten Schutzmaßnahmen. Welche Entscheidungen fielen Petra Köpping am schwersten? „Die Schulverordnung und das Besuchsverbot für Altenpflege- und Kinderheime.“
Dresdens Oberbürgermeister hatte sich unmittelbar vor dem Clubabend dafür ausgesprochen, den Striezelmarkt und andere Weihnachtsmärkte in der Stadt zu ermöglichen. Dem Anliegen stimmte auch Köpping zu. Aber es hänge von einem schlüssigen Hygienekonzept ab und ohne Maskenpflicht werde es nicht gehen, sagte 62-Jährige.
Köpping setzt bei den Maßnahmen gegen das Corona-Virus insgesamt stärker auf das Mitwirken der Bevölkerung als auf Zwangsmaßnahmen. So habe Sachsen auch lange gezögert, 60 Euro Bußgelder für Maskenverweigerung in Bus und Bahn einzuführen. Das Thema sei sensibel. Bei stichprobenartigen Kontrollen seien die Betroffenen meist einsichtig. Konkrete Zahlen über verhängte Bußgelder konnte die Ministerin nicht nennen.
Aber sie ließ keinen Zweifel daran: „Sollte die Grenze von 35 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner erreicht werden, müssen wir sofort restriktive Maßnahmen ergreifen. Das schnelle Handeln ist das A und O bei der Pandemie.“ Sachsen habe seit Ausbruch der Corona-Krise viel im Umgang mit der Krankheit gelernt. Es gibt in den drei großen Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz ein Krankenhauskoordinierungssystem, um die jeweils beste Behandlung zu sichern. Das sei sicherlich auch ein Grund dafür, dass es im Freistaat weniger Tote gibt. Waren am Anfang 300 Tests pro Tag möglich, so sind es derzeit 9.500.
Ein sicherer Impfstoff gegen Corona werde deutlich mehr Schutzmöglichkeiten bieten als die bisherigen AHM-Maßnahmen, das sind Abstand, Hygiene und Maske. Der Freistaat habe bereits Kanülen gekauft. Dennoch gebe es keine Impfpflicht, versicherte die Ministerin. Gleichzeitig werde Sachsen aber auf Rat von Virologen am 1. Oktober einen Aufruf zur Grippeschutzimpfung starten. So sollen Mehrfachinfektionen verhindert werden. Bis es einen wirksamen Impfstoff gibt, sei das Tragen der Masken angebracht.
Der Umgang mit dem Corona-Virus ist längst nicht die einzige Baustelle der Sächsischen Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie ihre Bezeichnung offiziell lautet. Aktuell beschäftigt sie die von Wildschweinen übertragene Schweinepest besonders. 440.000 Schweine werden derzeit in Sachsen gemästet. Wird eines der Tiere infiziert, stirbt es innerhalb von 24 Stunden. Gleichzeitig müssen alle anderen Tiere in der Anlage getötet werden. Der Export von Schweinefleisch sei bereits eingebrochen. Zum Schutz hat der Freistaat Zäune mit blauem Flatterband aufgestellt. Blau mögen die Schweine nicht. Zudem werden die Jäger motiviert, mehr Wildschweine zu schießen. Das Thema Schweinepest, so die Ministerin mit SPD-Parteibuch, könne den Freistaat noch 10 bis 15 Jahre beschäftigen.
Zu den Baustellen zählt sie auch die Situation in den Krankenhäusern und die Abrechnung nach Fallpauschalen. „Da stimme etwas nicht im System.“
Eine Änderung sei auch beim Pflegegesetz erforderlich. Es sei richtig und wichtig, dass Pflegekräfte mehr verdienen, aber bisher gehe das voll zu Lasten der Pflegenden. Die erhalten jetzt bereits die dritte Erhöhung ihrer Beiträge, viele könnten das mit ihrer Rente kaum noch leisten.
Petra Köpping selbst sah auf Nachfragen keinen Grund zum Klagen oder zum Pessimismus. „Die Arbeit macht mir Spaß. Auch kleine Schritte führen zum Erfolg“, sagte sie. Abschalten könne die dreifache Mutter durch das Dorfleben in Höfgen, einem Ortsteil von Grimma. Wenn dann die Katze schnurrt, sei alles gut.
Der Presseclub ist mit der Corona-Krise vorerst heimatlos geworden und ist auf der Suche nach einem neuen Veranstaltungsort. Am Montag durften wir Gast in der Kanzlei Battke Grünberg Rechtsanwälte im „Lebendigen Haus“ am Postplatz sein. Unser Vorstandmitglied Dr. Ekkehard Nolting hatte das wunderbar vorbereitet. Vielen Dank. (kle)