Publizist und Plagiatsjäger Dr. Stefan Weber aus Salzburg ist Gast im Presseclub Das Thema ist hochaktuell. Derzeit sorgt die Arbeit von Familienministerin Franziska Giffey für Aufmerksamkeit. Die Plagiatsprüfer von VroniPlag Wiki hatten 119 Fragmente auf 76 von 205 untersuchten Seiten beanstandet. Während die Freie Universität Berlin noch den Fall prüft, äußert Dr. Stefan Weber in seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“, dass es schwer sei, Frau Giffey als Politikerin noch vertrauen zu können. Aber er fragt auch: „Was läuft an den Hochschulen generell schief?“
Weber hat an der Universität Salzburg 1994 sein Diplom erworben und 1996 zu konstruktivistischen Medientheorien promoviert. Doz. Dr. Stefan Weber hat sich 2005 an der Universität Wien in Medien- und Kommunikationswissenschaft habilitiert. Er arbeitet als Privatdozent und hält regelmäßig Bachelor-Seminare ab. „Das Thema Plagiate spielt dabei stets eine Rolle“, sagte er. Er rät zur Verwendung von Plagiatssoftware und bietet als Plagiatssachverständiger geschäftsmäßig die Überprüfung von Arbeiten an.
Seit 2002 befasst er sich mit dem Thema. 2006 hatte Dr. Stefan Weber mit „Das Google-Copy-Paste-Syndrom“ das erste deutschsprachige Buch über Plagiate veröffentlicht. Seit 2010 bloggt er zu Plagiarismus. Als Anfang 2011 Plagiate in der Dissertation des früheren deutschen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg bekannt wurden, war er ein besonders gefragter Experte. Bis zur Einführung entsprechender Software 2009 erfolgte die Prüfung manuell mittels PDF und Suchfunktion und war so sehr mühsam. Je mehr Arbeiten digitalisiert vorliegen, desto leichter sei es, sie zu überprüfen. Ausführlich erklärte Weber die verschiedenen Zitiervorschriften für wissenschaftliche Arbeiten. Seine Arbeit habe dazu geführt, dass zwölf wissenschaftliche Grade aberkannt wurden. Es gehe ihm aber immer nur um die Sache.
Dr. Weber befasst sich auch mit der Überprüfung von Personen und Titeln sowie mit der Urheberschaft bzw. Fälschung bei Produkten. Im vergangen Jahr veröffentlichte er das Buch „Roboterjournalismus, Chatbots & Co.“ und befasste sich mit der Frage, wie Algorithmen Inhalte produzieren und das Denken beeinflussen. Bei automatisch generierten Texten wird die Software zum Autor. Bereits jetzt gebe es im Netz Angebote wie essaybuddy.net, bei der Software Texte schreibt. Im deutschsprachigen Raum lässt beispielsweise das Berliner Unternehmen Retresco Immobilienbeschreibungen von Software schreiben. Dr. Weber zeigte sich bei einem Besuch in dem Unternehmen von den Möglichkeiten beeindruckt. „Der nächste Schritt werden Arzt- und Kuraufenthaltsbriefe sein, womöglich sogar Fachexpertisen“. Auch einige Medien verwendeten bereits Software, beispielsweise für Feinstaubinformationen. Derzeit beschränke sich die Technologie auf Textsorten, bei denen gut Zahlen in Templates integriert werden können. Beispiele sind Fußball- und Wetterberichte, Wirtschafts- und Börsennachrichten.
Es passiere nicht alle Tage, dass Textklau und automatisch generierte Texte zusammentreffen: Im April 2019 hatte der Verlag Springer Nature ein vollständig von einem Algorithmus verfasstes wissenschaftliches Buch über Lithium-Ionen-Batterien als „wichtigen Meilenstein“ vorgestellt. Eine Überprüfung mit der Software Turnitin habe aber gezeigt, dass das Werk zu fast einem Fünftel aus einer anderen ebenfalls bei Springer erschienen Arbeit stammt. Insgesamt waren 41 Prozent „abgeschrieben“. In seinem Blog meint Dr. Weber dazu: „Wenn schon eine Software Texte ,schreibt´, sollte auch eine (andere) Software prüfen, ob diese Software taugt.“ Kritik übte er auch an den Journalisten, die die Jubelmeldung von Springer nicht kritisch überprüften.
Text: Bettina Klemm
Fotos: Roland Fröhlich