„Gödelitzer Impulse“ im Presseclub Dresden
Wo, zum Himmel, liegt Gödelitz? Und warum kommen von dort Impulse, die grundsätzliche notwendige plausible Forderungen auf nachhaltigen Kulturwechsel eindeutig formulieren?
Für ein neues Denken. Für eine neue Kultur des Politischen. Wie es in der Unterzeile der „Gödelitzer Impulse“ heißt, die Impulsvermittlerin Dr. Brit Reimann-Bernhardt im Gespräch mit Clubmitglied Dr. Claus Dieter Heinze im Presseclub Dresden darlegte.
Der Reihe nach: Gödelitz ist eine kleine Gemeinde in der für ihre Fruchtbarkeit gerühmte Lommatzscher Pflege, auf halbem Wege zwischen Meißen und Döbeln. Dort fanden im ideal für Seminare rekonstruierten Herrenhaus Gut Gödelitz seit Sommer 2018 mehrere Diskussionsrunden statt, zur dringend notwendigen geistigen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und pädagogischen Erneuerung der Gesellschaft in Sachsen und darüber hinaus.
Zu den Unterzeichnern des zehnseitigen mit einer Präambel versehenen Entwurfes vom 10. November 2018 für eine menschengerechtere Zukunft zählen „Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft“ wie Professoren, Lehrer, Journalisten, Künstler, Verwaltungsfachleute, Pfarrer, unter anderen auch der Dresdner Theaterkahn-Intendant i. R. Friedrich Wilhelm Junge und die anwesenden Impulsspender Frank Richter, Michael Heinicke, Anselm Meyer, Michael Beleites, Martin Döring und Reinhard Bohse.
„Ständiges Gefordertsein und ständige Verfügbarkeit sind mittlerweile zum Ausdruck sozialer Wertigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz geworden“, heißt es in der Präambel, „dabei, so scheint es, ist der Mensch an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen bzw. hat diese bereits überschritten mit zum Teil spürbaren Folgen für seine körperliche und seelische Gesundheit. Wir treten ein, für eine Kultur der Nachdenklichkeit und des Innehaltens.“
Jeder, der sich mit der Präambel identifizieren kann, könne bei den Gödelitzer Impulsen mitmachen, erklärte Brit Reimann-Bernhardt und betonte, die Gödelitzer Impulse seien kein Teil der schon bestehenden christlichen Werteakademie. Die Impulsgeber haben keinen Verein gegründet und wollen keine politische Partei aus dem humanistischen Boden stampfen, sondern konfessionsübergreifende und parteiübergreifende Wirkung ausstrahlen.
Hier der Versuch eines Surrogates.
Die These 1, Demokratie und Teilhabe, fordert beispielsweise: „Eine Umgehung der vom Volke ausgehenden Willensbildung durch den Einfluss von Lobbyorganisationen muss ausgeschlossen werden. Die Unterwerfung der Politik unter eine von seiten der Wirtschaft vorstrukturierte Agenda ist zu beenden.“
„Das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich ist eines demokratischen Sozialstaates unwürdig“, heißt es in These 2, ebenso „der Umstand, dass die Durchsetzbarkeit von Rechten oft vom Geldvermögen deer Betroffenen abhängt“.
Die Reduzierung der Bildung auf auf das Konsumenten- und Produzentendasein der Menschen, auf seine „Verwertbarkeit“, müsse ein Ende finden, fordert These 3 und weiter „es ist uns wichtig, dass nicht der Lernende sich an das Bildungssystem anpasst, sondern das Bildungssystem muss die Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigen. Wir setzen uns für eine chancengerechte, hochwertige, heterogene Bildungslandschaft ein.“
Die promovierte Referentin für Schulentwicklung Reimann-Bernhard wünscht sich, alle Menschen anzusprechen, die gleiche Impulse gemeinsam denken, ähnlich fühlen und zu einem neuen Lebensstil zusammenfinden, aus Politik, Schulen, Kirchen, Handwerk und Verwaltung. Dabei stelle sich die Kardinalfrage: Wie können wir das konkret umsetzen?
„Wir wollen dafür sorgen, dass unser Wirtschaftssystem nicht weiter auf Gedeih und Verderb vom permanenten Wachstum abhängt, sondern sich private wie öffentliche Akteure bevorzugt daran orientieren, gesunde Wirtschaftsstrukturen zu erhalten.“
Internet und Datenverarbeitung richteten heute oft mehr Schaden als Nutzen an, weil sie wildwüchsig in alle Lebensbereiche hineindrängten. Diesen Datenmonopolismus müssten Gesellschaft und Politik verbieten, den Bürger zuverlässig vor Datenmißbrauch schützen und gleichwohl analoge Techniken und Kommunikationsformen stärken.
„Mit einer spürbaren Förderung und Entlastung von Kleinunternehmen wollen wir eine Gründungswelle von Kleinunternehmen in der Fläche anstoßen. Über eine wohnortnahe Arbeit wird zugleich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert.“
Die Gödelitzer fordern zur inneren Sicherheit die Stärkung der Polizeipräsenz im ländlichen Raum, die Überprüfung von Personal- und Sach-Ausstattung in der Justiz und den Abbau bürokratischer Auswüchse.
Integration solle grundsätzlich so geschehen, dass die betroffenen Menschen nicht als Billigarbeitskräfte missbraucht, sondern so ausgebildet werden, dass sie nach Normalisierung der Lage in ihre Herkunftsländer zurückkehren und eine den Menschen in ihrem Heimatland dienende Tätigkeit ausführen können. Stichwort Heimat.
„Wir wollen, dass Kinder es als Bereicherung empfinden, die gewachsene Landschaft ihrer Umgebung zu erkunden und sie Gelegenheit bekommen, sich positiv mit den Natur- und Kulturgütern ihrer Heimat zu identifizieren.“ Eine generationsübergreifende Ethik müsse nicht nur darauf achten, den kommenden Generationen Rohstoffe zu hinterlassen, sondern auch Landschaften, mit denen sie sich identifizieren können und wollen, heißt es weiter.
„Wir setzen uns für eine Umkehr zur Dezentralisierung ein, weil verkleinerte politische Handlungs- Verantwortungs- und Haftungsräume besser demokratisch mitgestaltet und kontrolliert werden können. Nur in überschaubaren Handlungsräumen können Menschen eine Selbstwirksamkeit erleben.“
Dies sei erst der Anfang einer umfassenden Kulturwende, die auch Probleme wie Wohnungsnot und Miete, Altersarmut und Rente, Pflegenotstand und Ausbildung sowie das Zusammenleben in Europe einbeziehen müsse, heißt es abschließend in dem Thesenpapier.
„Ich kann den Dresdnern nur empfehlen, sich mit Gödelitz zu beschäftigen“, resümierte Frank Richter, „und sich Gedanken zu machen, was das Leben sein kann.“ Er habe Sorge, dass die AfD in Sachsen zur Regierungsbeteiligung gelangt.
Unsere Frage solle sein, fügte Brit Reimann-Bernhardt hinzu: „Was ist menschengerecht?“ Wichtig sei, mit langem Atem diese Gedanken in die Gesellschaft hineinzutragen.
Text und Fotos: Roland Fröhlich