Journalisten erfahren die Praxis im Landgericht Dresden
Einmalige Erfahrungen sammelten Journalisten bei einem Besuch des Presseclubs Dresden beim Landgericht am Sachsenplatz auf Einladung des Präsidenten des Landesgerichtes Gilbert Häfner. Zur Eröffnung des Rundganges durfte Clubchefin Bettina Klemm unter Anleitung des Leiters Zentrale Dienste, Matthias Landerer, versuchsweise einen Teleskopstock handhaben. Vorstandsmitglied Roland Fröhlich bekam freiwillig und probeweise stählerne Handfesseln angelegt. Polizeireporter Alexander Schneider wurde zur anschaulichen Waffenkontrolle an die Wand gestellt und der frühere SZ-Redakteur Jürgen Richter inspizierte eine der 17 Zellen für Gefangene zur Vorführung bei Gericht. Redakteur Thomas Kaulfuss betrachtete eingehend an einem Kleiderständer hängende spezielle Vorführhandschellen und alle durften hinter Gittern einen Blick in die separate gekachelte Raucherzelle, die mit Monitoren gespickte Überwachungszentrale, den Einfahrtsbereich für die „Grüne Minna“, die über 30 großen und kleinen Verhandlungssäle werfen, wo Regierungssprecherin a.D. Heidrun Müller vorsorglich in einem Zeugenstand Platz nahm. Im Gericht sind auch Videokonferenzen möglich.
Rund um die Uhr leisten in dem Ende des 19. Jahrhunderts durch König Albert errichteten Gebäude und dem nach der Wende angefügten Neubau des Amtsgerichtes 76 Justizbeamte der Wachtmeisterei Dienst, um die Sicherheit der Verhandlungen für Beteiligte und Gäste auch in Extremfällen zu gewährleisten. Das ist notwendig, denn jährlich werden bei der Eingangskontrolle Prozessierenden wie Zuhörern etwa 16.000 gefährliche Gegenstände abgenommen, eine verwitwete Rentnerin hatte sogar einen geladenen Revolver bei sich.
„Die größte Waffe jedoch ist der Verstand und der Mund“, betonte Landerer lächelnd.
Die Entwicklung der Eingangszahlen für Strafverfahren von 1994 bis 2017 sei deutlich zurückgegangen, erläuterte Landtags-Präsident Häfner anhand von Statistiken, dafür sei die Anzahl der Berufungsverfahren gestiegen. Wegen der Vielzahl der Verfahren wurde eine weitere Strafkammer gegründet. Eine längere Diskussion entstand über die für Opfer oft unzumutbare Dauer der Strafverfahren. „Wir schrammen oft an der Grenze vorbei, wo die gesetzliche Untersuchungshaft endet, aber das Verfahren aus unterschiedlichen Gründen noch nicht eröffnet wurde“, räumte Häfner ein. „Wenn die Verfahren auf die lange Bank geschoben werden aus formal-juristischen Gründen, werden mitunter die Rechte der Opfer mit Füßen getreten“, kritisierte Alexander Schneider. Oft könnten Opferanwälte die Sache gar nicht beschleunigen als Nebenkläger. Andererseits zeige die Erfahrung, argumentierte Richter Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender der Wirtschaftsstrafkammer, in den Fällen, in denen Verfahren schneller laufen, gäbe es mehr Fehlurteile. Der Verteidigung müsse das gleiche Aktenmaterial zur Verfügung gestellt werden, welches die Justiz benutzt, betonte Schlüter-Staats. Er sah eine von Clubmitglied Ekkehard Nolting befürwortete Digitalisierung der enormen täglich zu bewältigenden Aktenberge kritisch. Das werde die Bearbeitungszeiten eher noch über Gebühr verzögern. Schnellere Strafverfahren hingegen hätten bei den jüngeren Tätern einen größeren psychologischen Effekt und pädagogischen Nutzen für die Gesellschaft, hob Präsident Häfner abschließend hervor, und würden die Verfahrenskosten erheblich senken.
Text und Fotos: Roland Fröhlich