Um den Wiederaufbau des Narrenhäusels müsse eine offene Diskussion stattfinden, erklärte der neue Beigeordnete für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr, Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) eloquent und kompetent vor dem Presseclub Dresden, im Gespräch mit Clubchefin und SZ-Redakteurin Bettina Klemm. Dieses Terrain sei ein Filetstück am Neustädter Markt und könne dem Platz wieder einen städtebaulichen Rahmen geben. Deshalb fände er es verkehrt, sagte der Diplom-Architekt, jetzt hastig an dieser Stelle, auf dem Neustädter Brückenkopf der Augustusbrücke, gegenüber dem Blockhaus, ein Gebäude zu errichten, ohne die Umgebung in die Planung einzubeziehen.
Die Verfüllung des Fußgängertunnels in direkter Nachbarschaft, sei vom Stadtrat beschlossene Sache. „Ich habe einen Stapel von Zuschriften zum Narrenhäusel auf dem Schreibtisch, von Vereinen und Privatpersonen, aber es fehlt eine öffentliche Diskussion darüber“, fordert Schmidt-Lamontain. „Was passiert mit den Reliefs am Tunneleingang?“ fragte Andreas Schulz. „Zur Gestaltung des Umfeldes habe ich jetzt keinen Etat“, bedauerte Schmidt-Lamontain.
Trotz noch laufender Klage vor dem Verwaltungsgericht, sei mit einem Abriss der Waldschlößchen-Brücke nicht zu rechnen, denn dafür benötige man erneut ein Umweltverträglichkeitsgutachten, das wahrscheinlich negativ ausfiele. An der Albertbrücke hätte man – trotz der Forderungen von Bauaufsicht und Denkmalschutz – die Gestaltung des Geländers vielleicht etwas eleganter lösen können, räumte der Bürgermeister ein. Es sei jedoch nicht mit dem Kulturpalast vergleichbar: Durch die stärkere öffentliche Nutzung des Kulturpalastes auch durch Kinder, seien zusätzliche bauliche Veränderungen im ansonsten denkmalgeschützten Treppenhaus notwendig. Auch müsse die rückwärtige Zufahrt für den technischen Bühnenbetrieb gewährleistet sein.
Zum Umbau der Königsbrücker Straße mit geschätzten 22.000 Fahrzeugen pro Tag wäre ein zweispuriger Ausbau vorstellbar. Er selbst habe dazu schon ein Projekt entwickelt. „Die Arbeitsatmosphäre in der Lenkungsgruppe ist enorm positiv, ohne jede Polemik“, ergänzte Schmidt-Lamontain. Die verkehrstechnische Gleichbehandlung von Autos und Radfahrern sei zukünftig unabdingbar, betonte der begeisterte Lastenfahrradfahrer.
Für den vom ehemaligen Ortsamtsleiter Dr. Dietrich Evers vorgeschlagene Nulltarif im innerstädtischen ÖPNV müsse man das Defizit (etwa 40 Millionen Euro) irgendwie kompensieren. „Diese Debatte wird sicher spannend“, sagte Schmidt-Lamontain und schmunzelte. Er würde diesen Vorschlang nicht machen wollen.
Der Neumarkt könne ein wenig mehr Grün vertragen, sagte der Politiker der Grünen, im Übrigen könne er die Interessen des Neumarkt-Vereines durchaus nachvollziehen. Im Ganzen habe die Innenentwicklung der Stadt Vorrang vor den Außenbezirken. Dresden benötige etwa 3.000 neue Wohnungen pro Jahr, um die Neu-Dresdner und ihre Familien zu beherbergen. Die Diskrepanz zwischen Marktpreisen und Kaufkraft der Bürger müsse schonend überbrückt werden, eventuell mit Förderprogrammen.
Die vom Stadtrat beschlossene Erhaltungssatzung für Bausubstanz sei sinnvoll. Eine Gestaltungssatzung für Neubauten wie in den Stadtteilen Blasewitz und Striesen müssen sehr differenziert ausgearbeitet werden.
„Mein größter Wunsch ist, miteinander in Dialog zu treten und sich nicht in Gräben zu verschanzen“, erklärt Schmidt-Lamontain. Schon während seines Architekturstudiums in Hannover arbeitete er ehrenamtlich in der Kommunalpolitik, war als selbständiger Stadtplaner ressortübergreifend zehn Jahre lang Mitglied im Stadtteilparlament und im Fraktionsvorstand der Grünen. Raoul Schmidt-Lamontain ist verheiratet mit einer Wienerin. Das Paar hat einen Sohn. „In diesem Amt kriegt man nichts geschenkt. Machen wir das Beste draus.“
Bild und Text: Roland Fröhlich