Ein Bühnengefühl ohne Lampenfieber vermittelte Intendant Wilfried Schulz anschaulich zahlreichen Mitgliedern des Presseclub Dresden bei einer aufschlussreichen Führung durch das 1913 errichtete Staatsschauspiel. In drei Wochen ist Premiere der griechischen Tragödie ‚Antigone‘ von Sophokles (Uraufführung 442 v.Chr.). Der Presseclub durfte sich schon mal auf der Bühne als antiker Chor fühlen, während Chorführer Schulz die Bühnentechnik erläuterte.
Der Theaterbetrieb beginnt morgens halb sieben und endet nach 23 Uhr mit dem Abbau des Bühnenbildes und Vorbereitungen für den nächsten Probentag. „So ein Theater ist ein Biotop“, sagt Wilfried Schulz mit leuchtenden Augen, „die insgesamt 300 Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, gemeinsam an einem Werk zu arbeiten.“
Aber es gebe laufend Änderungen, es müsse immer wieder neu gedacht, gelebt und betreut werden. Und das bei 25 unterschiedlichsten Inszenierungen pro Spielzeit (10 Monate) mit etwa 45 Künstlern, inklusive Hausregisseuren, Dramaturgen und Bühnenbildnern. „Ein Ensemble sollte die gewachsene Struktur der Bevölkerung widerspiegeln“, sagt Schulz und erläutert die Kunst, lang-engagierte unkündbare Dresdner Schauspieler mit seinen 2009 aus Hannover mitgebrachten Kollegen und dazu-engagierten Schauspielern vom freien Markt (jeweils ein Drittel) zu einem Ensemble-Biotop in gemischter Rollen-Besetzung zusammen wachsen zu lassen. Schwierige Aufgabe, denn jeder Künstler ist eine ausgeprägte Persönlichkeit.
„Man wird nicht Schauspieler wegen des Geldes“, lenkt Schulz ein. Nach dreijährigem Schauspielstudium bekommt ein Anfänger etwa 1800 Euro, 3500 Euro sind Durchschnitt. Der gesamte Etat des Schauspielhauses beträgt reichlich 20 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zu anderen gleichgroßen Häusern nicht üppig. Üppig ist jedoch der Zuwachs an Zuschauern von etwa 160.000 auf knapp 250.000 in den bisherigen Jahren der Schulz-Intendanz.
Ein schöner Erfolg, mit dem die 100. Spielzeit gefeiert wurde.
Wilfried Schulz bescheinigt den Dresdnern „eine große Kultur-Affinität“. Manche Dresdner Urgesteine meinten sogar „Das Staatsschauspiel gehört uns!“ – Bisschen heftig, oder? –
Der demokratisch-psychologische Effekt des Theaters sei, bekräftigt der Intendant, „dass ich aushalten muss, dass andere anders sind.“
Auf den Opernkonflikt Thieleman/v.Schorlemmer/Dorny angesprochen, sagte Schulz, er kenne an der Oper viele, die sehr bedauern, dass ein Spitzenmann der europäischen Oper wie Serge Dorny nun die Intendanz nicht antreten kann. Im Gegensatz zur musikalischen Qualität der Dresdner Staatskapelle stehe die szenische Entwicklung an der Semperoper im Vergleich zu Frankfurt oder Stuttgart zwei Generationen zurück. Die fehlenden vier Führungspositionen müssten an der Semperoper schnellst möglich besetzt werden.
Den Spielplan des Staatsschauspiels der Saison 2014/15 wolle Wilfried Schulz bei der Pressekonferenz Mitte April erörtern. Aber wir dürften jetzt schon gespannt sein, auf die Premiere eines inszenierten Roman-Dramas. The rest is silence.
Text und Foto: Roland Fröhlich