Unmittelbar vor der Bundestagswahl konnten wir Frau Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher als Gast in unserem Club begrüßen. Die Präsidentin des Landesamtes für Statistik Sachsen beantwortete Fragen zum Ablauf der Wahlen, aber auch zur Vorbereitung und Auswertung. Seit 2004 hält sie das Amt inne. Zum Jahresende scheidet sie altersbedingt aus, nicht aber, ohne sich neue Aufgaben zu suchen.
Dass Statistik keinesfalls trocken ist, hat Irene Schneider-Böttcher am Wochenende zuvor bewiesen. In dem Theaterprojekt „100 Prozent Dresden“, eine Kettenreaktion, war sie die Frontfrau, die die statistischen Daten lieferte. Wer das Ganze noch einmal sehen möchte, kann dies am 12. Dezember im Staatsschauspiel tun.
Das Stück
Am 31. Dezember 2011 wohnten in Dresden 529781 Menschen. 4,2 % davon waren Ausländer, 51 % Frauen und 8,9 % arbeitslos. Demgegenüber standen 1,8 Millionen Übernachtungsgäste in Dresden, von denen 17,8 % ausländische Touristen waren, die im Durchschnitt 2,1 Tage in Dresden verbrachten. Für Statistiken verwandeln sich Menschen in Tortenstücke, Säulen und Kurven, die für politische Argumentationen und ökonomische Kosten-Nutzen-Strategien verwendet werden. Was wäre, wenn diese Statistiken Gesichter bekämen? Wenn Dresden sich auf einer Bühne durch 100 Menschen vertreten ließe, eine Menge, so ausgesucht, dass sie statistisch „korrekte“ Aussagen machen kann?
Zum 100-jährigen Jubiläum des Schauspielhauses Dresden bildet das Theaterkollektiv Rimini Protokoll die Stadt auf der Bühne ab: „Dresden in Zahlen“, Zahlen aus Dresdnern. In einer mehrmonatigen Recherche wurden 100 Bewohner Dresdens nach statistischen Kriterien ermittelt und als Repräsentanten auf die Bühne des Schauspielhauses gebracht. Anders als bei vielen anderen Rimini Protokoll-Projekten wurde für „100 Prozent Dresden“ nur ein einziger Mensch von den Regisseuren ausgewählt. Dieser sucht den nächsten Teilnehmer aus seinem Bekanntenkreis aus (nach einem Raster aus statistischen Werten, zum Beispiel nach Geschlecht, Nationalität, Wohnbezirk), der zweite einen weiteren, bis 100 Dresdner, also „100 Prozent Dresden“, beisammen sind. Jeder Einzelne steht für ca. 5300 Bewohner Dresdens. So entsteht eine Ansammlung, die unsere Stadt spielt, ein Chor, der noch nie geübt hat, ein unmögliches Gebilde, das sich zu immer neuen Gruppenbildern zusammenstellt, zu flüchtigen Porträts von Zugehörigkeit und Gegensätzlichkeit: ein Stimmenmeer als geometrischer Körper auf 100 m² Bühne. | Quelle Schauspielhaus | Weitere Informationen hier: http://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/100_prozent_dresden/
Text: Bettina Klemm
Foto: Pressebild Schauspielhaus Dresden