In diesem Jahr feiert das Sächsische Druck- und Verlagshaus (SDV) 20-jähriges Jubiläum. Anlässlich des Geburtstags hat uns Sandy Schramm, zuständig für die PR beim SDV, ein Gespräch mit dem Firmengründer Klaus Deutsch, der am 10. April 70 Jahre als geworden ist, über die Entstehung und die Entwicklungen des Unternehmens zur Verfügung gestellt. Das Gespräch geben wir hier ungekürzt wieder.
Herr Deutsch, 20 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit Sie zum ersten Mal nach der friedlichen Revolution Dresden besuchten. Erinnern Sie sich noch daran, welchen Eindruck die Stadt bei Ihnen hinterlassen hat?
Selbstverständlich erinnere ich mich ganz gut daran – an diesen kalten, tristen Märztag. Dresden von damals habe ich heute noch vor Augen: Die Stadt wirkte grau, krank, verletzt; überall sah man baufällige Gebäude, es roch nach Braunkohle. Die Realität, die ich vorfand, war ernüchternd, fast erschreckend.
Und Sie haben trotzdem nicht kehrtgemacht, um zurückzufahren – in Ihre wohlgeordnete Welt?
Nein, das habe ich nicht getan, obwohl ich mit fünfzig nicht unbedingt in einem Alter war, in dem man einen Neubeginn wagt. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt eigentlich eher am Ende meiner Arbeitsreise. Sehr vermögend war ich nicht, hatte aber meine gut laufende mittelständische Druckerei in München, meine Freunde, meine Hobbys. Ich hatte ein schönes Leben und keinen wirklichen Grund, etwas daran zu verändern.
Sie haben den Neubeginn, mit einem ungewissen Ausgang, den-noch gewagt. Weshalb?
Weil ich eine Chance erkannte, die sich einem nur einmal im Leben bietet. „Bist du denn verrückt? Was willst du dort in der Ostzone?“, so haben meine Freunde reagiert, als ich ihnen von meinem Vorhaben berichtete. Für mich aber war der unternehmerische Reiz enorm, etwas in einer Dimension zu bewegen, die im Westen Deutschlands nicht mehr denkbar gewesen wäre. Die Märkte in Sachsen öffneten sich gerade, die Menschen waren von einem unbändigen Ehrgeiz gepackt. Der Wille zum Aufbau war einfach ansteckend! Zudem ging von dieser Stadt eine große Faszination aus. Trotz rauer, heruntergekommener Fassaden erkannte man, welch eine prachtvolle, schöne Stadt Dresden einmal gewesen war und wieder werden könnte.
Sie haben also einen Schlussstrich unter Ihr bisheriges Leben gezogen, Ihre Koffer gepackt und sind nach Dresden gezogen?
Nein, nein, so abrupt war der Wechsel nicht. Ich hatte meine erste Firma mit Anfang dreißig gegründet und sehr früh gelernt, unternehmerisch zu denken und verantwortungsvoll zu handeln. Da packt man nicht einfach seine Koffer und zieht irgendwohin. Es war ein Prozess.
Wie darf man sich diesen Prozess vorstellen?
Das Sächsische Druck- und Verlagshaus habe ich 1990 mit Mitarbeitern der ehemaligen Hausdruckerei des Elektronik-Kombinates VEB Robotron gegründet. An diesem sozusagen kapitalistisch-sozialistischen Gemeinschaftsunternehmen besaß ich zunächst 60 Prozent der Anteile. Wir haben mit 18 Mitarbeitern und ein paar tschechischen Kleinoffsetdruckmaschinen angefangen. Der Firmensitz war eine Baracke nahe dem Dresdner Hauptbahnhof. Dank der Mitarbeiter der ersten Stunde, die ambitioniert, fähig und sehr motiviert waren, gelang es uns, die Dynamik der sich öffnenden Märkte in Sachsen als unternehmerische Chance zu nutzen. SDV ist deshalb in einer nahezu unglaublichen Geschwindigkeit gewachsen. Bereits zwei Jahre nach der Gründung beschäftigten wir knapp 100 Mitarbeiter und waren aktiv auf verschiedenen Betätigungsfeldern.
Mehrere unterschiedliche Großprojekte, die parallel realisiert werden mussten, ein rasant wachsendes Unternehmen in Dresden und zusätzlich ein weiteres in München – ging es da nicht bisweilen ziemlich chaotisch zu?
Chaotisch waren die Zustände nie. Es war sicherlich eine sehr intensive, außergewöhnliche Zeit. Mit der starken Expansion wuchs allerdings auch die Gefahr, sich zu verzetteln. Drei Jahre nach der Firmengründung habe ich gerade aus diesem Grund die Zusammenarbeit mit Robotron beendet und die restlichen Firmenanteile erworben. Von nun an gehörte mir SDV zu 100 Prozent und ich hatte die Zügel noch fester in der Hand.
Ihre Mitarbeiter von damals erinnern sich daran, dass Sie jede einzelne Rechnung persönlich überprüft und unterzeichnet haben. Sie sind auch täglich durch das Unternehmen gegangen, haben mit den Beschäftigten gesprochen, sich für alle Details interessiert.
Natürlich. Das ist meiner Ansicht nach die effektivste Möglichkeit, ein mittelständisches Unternehmen erfolgreich zu führen. Ich war zudem kein angestellter Manager. Das Sächsische Druck- und Verlagshaus war mein Lebenswerk. Gerade deshalb ist es uns gelungen, uns an einem Markt zu behaupten, an dem schon damals besonders harter Konkurrenzdruck und starker Verdrängungswettbewerb herrschten. Der Erfolg von SDV ist vor allem der Erfolg eines Familienunternehmens. Ich bin auch zum Erfolg verdammt gewesen, weil ein Ruin der Firma gleichzeitig meinen finanziellen Ruin bedeutet hätte.
Dies klingt, als hätten Sie viele harte Jahre hinter sich.
Im Nachhinein kann ich sagen: SDV hat von Anfang an Gewinne erwirtschaftet, aber es gab immer wieder neue Herausforderungen – auch Rückschläge, teils selbstverschuldet, teils auch, weil sichergeglaubte Märkte in kürzester Zeit wegbrachen. Es war eine ständige Suche nach neuen Dienstleistungen und Geschäftsideen, ohne dabei unsere Kernkompetenzen zu vernachlässigen.
Welche waren das?
Wir waren von Anfang an und sind noch heute ein stabiler und zuverlässiger Partner einer Reihe Sächsischer Ministerien und Ämter, der Stadtverwaltung Dresden und des Sächsischen Landtages. Als solcher sind wir spezialisiert auf amtliche Verkündungs- und Ausschreibungsmedien – vom Lektorat über die Fertigung bis hin zum Versand haben wir damals alles aus einer Hand angeboten. Darüber hinaus waren wir natürlich auch ein Druckdienstleister. „Druckerzeugnisse von der Visitenkarte bis zum Buch“ lautete zu jener Zeit unser Slogan. Wir haben ebenfalls das erste Branchenbuch für Dresden konzipiert und in den darauffolgenden Jahren weiterentwickelt. Kundenfreundlichkeit, Qualität und Termintreue – darum haben wir von Anfang an gekämpft. Das ist das, was uns noch heute als Mediendienstleister auszeichnet. Eine solide Geschäftsgrundlage und trotzdem das Bedürfnis, sich immer neu zu erfinden? Besonders in unserer Branche, in der rasante technologische Fortschritte in kürzester Zeit an der Tagesordnung sind, ist es überlebensnotwendig, sich nicht nur den Erfordernissen des Marktes anzupassen. Wir müssen diesen Markt genauso nachhaltig prägen – durch Innovationen, kreative Ideen, zeitgemäße Lösungen. So haben wir die elektronische Abwicklung der Vergabeprozesse in Sachsen im Auftrag der Staatskanzlei fast im Alleingang vorangetrieben und sind auf diesem Gebiet deutschlandweit Vorreiter. Wir haben sehr früh, bedauerlicherweise sogar viel zu früh, die Potenziale des Digitaldrucks entdeckt und darin investiert.
Warum bedauerlicherweise?
Weil das, was wir an innovativen Lösungen angeboten haben, nicht in Größenordnungen nachgefragt worden ist, durch die sich unsere sehr kostenintensiven Investitionen gerechnet hätten. Es musste einige Zeit vergehen, bis wir mit unserer Tochterfirma Sächsisches Digitaldruck Zentrum schwarze Zahlen schreiben konnten. Dass es überhaupt so weit kam, ist vor allem das Verdienst meines Sohnes Christoph, der unter anderem ein ausgeprägtes Gespür für Märkte und Entwicklungen hat.
Ihr Sohn ist seit 2004 Vorstandsvorsitzender der SDV – Die Medien AG. Für Sie, der gern die Zügel fest in der eigenen Hand hält, ist es wahrscheinlich sehr schwer gewesen, sich vom operativen Geschäft zurückzuziehen.
Nein, ganz und gar nicht. Mein Sohn ist bereits 1996 ins Unternehmen eingestiegen und hat bewiesen, dass er nicht nur sehr clever ist und über eine bemerkenswerte Auffassungsgabe verfügt – denn das wusste ich bereits, als ich ihm anbot, sich meine Firma näher anzuschauen. Als Geschäftsführer des Sächsischen Digital Zentrums stellte er ebenso unter Beweis, dass er Ausdauer hat, unternehmerischen Mut, Durchsetzungsvermögen und vor allem die Fähigkeit, visionär zu denken, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Als ich ihm die Gesamtverantwortung übergab, wusste ich: Mein Lebenswerk ist in guten Händen, in den besten eigentlich, denn SDV bleibt ein Familienunternehmen.
Herr Deutsch, Sie sind 14 Jahre lang an der Spitze eines Unternehmens gewesen, das nicht nur rasant gewachsen ist, sondern sich auch permanent gewandelt hat. Gab es einen Moment, in dem sie nicht weiterwussten?
An den Tag und die Stunde erinnere ich mich genau, als ich einen kurzen Moment glaubte: „Nun ist es zu Ende. Zwölf Jahre deines Lebens sind einfach unwiederbringlich weggespült worden.“
Sie meinen die Flut 2002?
Ja, so ist es. Die Flut. Als ich gegen Mittag den Maschinenpark in den Haupthallen betrat und die meterhohen Wassermassen darin sah, dachte ich mir wirklich: „Nun ist es zu Ende.“ Dort, wo früher die Druckmaschinen auf Hochtouren liefen, herrschte plötzlich gespenstische Stille. Egal, wo ich hinschaute, erblickte ich nur Wasser, Wasser, Wasser, dazu Schlamm und Dreck – überall. Ein muffiger Gestank stieg hoch und ich war mir sicher: „Nun ist es zu Ende.“
Glücklicherweise haben Sie sich getäuscht.
Ja, zum Glück kehrte mein angeborener Optimismus rasch zurück. Wir haben schon eine Woche nach diesem Totalschaden unsere Geschäftstätigkeit wieder aufgenommen. Doch im ersten Moment hätte keiner ernsthaft glauben können, welche Energien freiwerden, welche Unterstützung wir von vielen Seiten noch erhalten würden. Es waren aber vor allem die eigenen Mitarbeiter, die die Ärmel hochgekrempelt und um den Fortbestand der Firma gekämpft haben. Rückblickend betrachtet war der durch die Flut erzwungene Wiederaufbau eine unwahrscheinlich positive Erfahrung.
Im Herbst feiert das Sächsische Druck- und Verlagshaus, heute SDV – Die Medien AG, 20-jähriges Jubiläum. Familie Deutsch hat es also geschafft.
Nun ja, was heißt schon „geschafft“? Wir können auf unseren Erfolg und die gesunde Entwicklung der Firma ein wenig stolz, aber eher dankbar sein. Wir alle haben sehr hart gearbeitet, um uns dauerhaft zu behaupten und zu etablieren, doch wir hatten gewiss auch Glück. Und das darf man doch haben, oder?
Vermissen Sie das operative Geschäft gelegentlich?
Nein. Ich bin zwar noch Vorsitzender des Aufsichtsrates und als solcher in die Geschicke des Unternehmens involviert, doch ich mische mich selten in das Tagesgeschäft ein. SDV – Die Medien AG ist jetzt das Lebenswerk meines Sohnes. Es freut mich, dass er meinen Rat immer noch schätzt. Viel glücklicher bin ich aber darüber, dass er gründlich durchdachte unternehmerische Entscheidungen trifft, die mir nicht hätten besser gelingen können.
Wo sehen Sie Ihre Firma in 20 Jahren?
Immer noch in den Händen der Familie. Ich habe fünf Enkelkinder und glaube auch, die zukünftige Firmenspitze wird von Familienmitgliedern gebildet werden. Ansonsten bin ich davon überzeugt, dass SDV weiterhin erfolgreich seinen Weg gehen wird – als innovativer Mediendienstleister, der weitere neue Märkte erschließt, sich stetig wandelt und dabei nach wie vor auf seine Kernkompetenzen achtet.
Zur Person Klaus Deutsch
Geboren am 10. April 1940 in Freising
Abitur am Domgymnasium Freising 1959
Studium der Volkswirtschaft in München und Freiburg
Abschluss als Dipl.-Volkswirt 1964
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der IHK Frankfurt am Main
Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Unilever Verlagsgruppe Kempten/Allgäu
Seit 1972 als selbstständiger Unternehmer tätig
Über die SDV-Gruppe
SDV – Die Medien AG ist mit 224 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 30 Mio. Euro im Jahr 2009 der marktführende Full-Service-Dienstleister für variablen Datendruck und Direktmarketing mit Standorten in Dresden, Weidenberg und München. Neben Offset- und Digitaldruck bei SDV Winter GmbH und SDV Direct World GmbH sowie der Direkt-marketing-Softwareschmiede Deutsch Technologies GmbH finden sich unter dem Dach der SDV AG auch der Geschäftsbereich SDV Vergabe und das regionale Verlagshaus SDV Verlags GmbH.
Die SDV – die Medien AG im Netz: www.sdv.de