„Twitter wird angeblich von mehr als 70 Prozent der Deutschen für ein Spülmittel gehalten“, eröffnet Medienberater Peter Stawowy das traditionelle Montagsgespräch im gut besuchten Presseclub Dresden, diesmal als Solist. Twittern ist angesagt, heißt soviel wie „schnattern“ oder „kichern“, erklärt das Lexikon und ist deshalb eher geeignet, oberflächliche Informationen hin und her zu spülen.
Persönliche Kurznachrichten im Internet, Neuigkeiten, Kommentare sind schneller als Printmedien. „Pressemitteilungen herkömmlichen Stils reichen heute nicht mehr aus“, erläutert Stawowy, „denn die jungen Leute befinden sich im Internet.“ Folge: Die „Sächsische Zeitung“ zum Beispiel stellt ihre Jugendseite ein. Die jungen Medien mit dem kurzen Puls verbreiten sich tsunamiartig im Internet: Blogs, Facebook, Xing, Wer-kennt-wen, bilden Interessengruppen, suchen Freunde, tauschen Nachrichten und Bilder, berichten vom Urlaub oder fragen nach geeigneten Windeln fürs Kind.
„Wer denkt, unsere Kultur geht dabei vor die Hunde, der irrt“, beschwichtigt Stawowy die zweifelnden Blicke der gestandenen Print-Journalisten, „aber das Kommunikationsverhalten ändert sich vehement.“ Mit den diversen Portalen biete das Internet eine Gegenöffentlichkeit. Jeder habe die Möglichkeit, Ereignisse in Youtube zu veröffentlichen oder im eigenen Blog zu kommentieren und werde dadurch selbst zum Medium. Eine berauschende Idee! Es entsteht eine virtuelle Vertrautheit unter Gleichgesinnten, die sich noch nie begegnet sind.
Allerdings könne diese erweiterte Öffentlichkeit wie beim hypermultiplizierten „Streisand-Effekt“ auch zu Rufschädigung führen, warnt Stawowy. Das Internet sei aber kein rechtsfreier Raum. Der Autor hafte für die eigenen Meldungen. Die Frage nach dem Sinn von Twitter beantwortet Stawowy so: „Möglicherweise bietet es einen Gewinn an Wahrheitsfindung. In erster Linie aber dient Twitter der Unterhaltung, in zweiter dem selbstdargestellten Ego, in dritter erst der brandneuen Nachricht.“ Die Recherche-Kapazitäten seien allerdings begrenzt. Dafür trete ein gewisser „Sucht-Effekt“ gerade bei Twitter ein, das damit auch zum „Zeit-Fresser“ werde.
Ob mit Twitter eine neue Internet-Elite der Vernetzten das World-Web-Verhalten und damit die zurückgebliebenen Ahnungslosen steuere, konnte Peter Stawowy nicht zweifelsfrei beantworten. In einer Zeit, in der Direktoren-Schreibtische aus Eiche transportablen Laptops zum „Co-Working“ weichen, sei es sinnvoll, nach allen Seite Links zu setzen, um eventuell zu Persönlichkeiten aus anderen sozialen Schichten Kontakte knüpfen zu können.
Fazit: Der Mehrwert von Twitter ist fraglich, der Spaß ist frei Haus. Roland Fröhlich
Disclaimer: Peter Stawowy ist Mitglied im Presseclub Dresden und maßgeblicher Autor dieses Blogs (Kürzel: owy).
Schade, habe zu spät von dem Vortrag mitbekommen, aber über twitter einge Live-Informationen erhalten ;)
Ich denke es ist ein wichtiges Kommunikationsmedium und wird sich auch in nächster Zeit noch sehr stark weiterentwickeln. sz-kultur hat es ja auch schon verstanden.
Die meisten Infos, die ich dadurch erhalte, habe ich fast immer schneller als andere, selbst die Medien hinken fast immer hinterher. Das ist wirklich traurig und sollte ein Umdenken in der Medienwelt schaffen. Ich denke gerade im Journalismus ist twitter ein wichtiges Medium und man sollte versuchen sich schnellstmöglich damit auseinander zu setzen um noch in der „Liga der Aktuellen“ mitspielen zu können.
Wer behauptet, bei Twitter werden nur irrelevante und oberflächliche Inhalte transportiert, hat sich noch nicht ausreichend mit dem Medium auseinandergesetzt. Man liest schließlich nur Mitteilungen der Leute, denen man selbst folgt und bestimmt somit selbst was einem wichtig ist.
Daher muß ich auch dem Fazit des obigen Textes eindeutig widersprechen. Twitter hat sich für mich als eine der wichtigsten Nachrichtenquellen entwickelt und bietet die Möglichkeit so schnell Informationen zu erhalten, wie es durch redaktionelle Medien nie möglich sein wird. Natürlich muß man die Glaubwürdigkeit von Meldungen immer abwägen, wie dies ist auch bei klassischen Nachrichtenkanälen der Fall ist.
Für mich spielen andere Medien kaum eine Rolle. Tageszeitung, Fernsehen und Radio sind längst Angeboten aus dem Internet (Podcasts, Internetradio, Weblogs, Twitter etc) gewichen.
Redakteuren und Journalisten kann ich daher nur wärmstens empfehlen sich mit diesem Medium auseinanderzusetzen und es als Ergänzung und Chance zu begreifen.
Der Artikel hat mir mächtig gefallen. Er spiegelt die Realität wider zwischen Verfechtern der neuen Medien und ihrem Nutzen und den Erfahrenen der „alten“ Printmedien.
Das Internet und der -fast schon- freie Zugang (USA ist hier in den Städten bereits einen großen Schritt voraus;-)) ermöglichen Kommunikationsformen, die bisher nicht vorstellbar waren.
Insbesondere Twitter ermöglicht die Weitergabe von Information in Echtzeit in die weltweite Netzgemeinde. Da gibt es keine lokale Begrenzung und auch keine Sprachbarrieren. So wurde die Abmahnung von Jack Wolfskin gegenüber einer Künstlerin in einem kurzen aber heftigen „Twitterbrand“ (oops, das sollte ich mir schützen lassen;-)) zur Einstellung gebracht – durch die Macht des Netzes.
Selbstverständlich bedeutet Twitter ein neues Medium in einer Vielzahl von weiteren, die jetzt schon nicht mehr vernünftig zu handhaben sind. Jeder erinnere sich an das Email-Fach, das ihn nach dem Urlaub mit hunderten von Mails überrascht.
Also was machen, wenn man in der schnellen Netz-Liga mitspielen möchte?
Es gibt zum einen , die den Daten- und Kommunikationsverkehr kanalisieren und aggregieren können (das spart dann schon mal die lästige Einzelnachrichtverfolgung). Andererseits kann man auch nur den Twitterern folgen (und somit die Tweets in seinen Stream bekommen), die für einen selbst relevante Themen ansprechen, und die Anzahl der Following-Twitterer gering halten.
Der Nutzen von Twitter (und auch den anderen Medien, wie Blogs, Wikis, etc.) ergibt sich immer dann, wenn die Eigenschaften der „alten“ Medien (lokal begrenzt, zeitliche Verzögerung von Ereignis bis Bericht, Umweltgesichtspunkte, etc.) überholt werden können. Mit Twitter ist es möglich aus jeder Vorlesung, Konferenz oder auch jegliches Ereignis (wie z.B. vorhin das brennende Fahrzeug in der Nähe vom Albertplatz, das für einige Straßenbahn-Stau führte) zu berichten – und dies live!
Darüber hinaus ist Twitter ein umfassenderes und öffentliches SMS-Programm, nur dass die Nachrichten (in der Regel (!)) jeder lesen kann, das ist ja auch Sinn und Zweck itder Übung – Wissen verbreiten.
Sind wir mal gespannt wie es mit den Twitter-Aktivitäten in der Presselandschaft weitergeht und wie mit Twitter nun auch ganz direkte Kundenbeziehungen aufgebaut werden können. Diese können sich selbstverständlich auch wieder auf die Printmedien auswirken.
Twitter ist definitiv kein Muss für jeden, nur für den der Geschmack daran findet, Nutzen rausziehen kann und ein wenig Kind geblieben ist (das ist Grundvorausetzung, ohne ein wenig Spieltrieb und Fragen, die zu beantworten sind – mit Twitter – geht es nicht;-))
Ich war nicht auf der Veranstaltung, weswegen ich der Wiedergabe des Faktischen nichts hinzuzufügen oder zu erwidern habe. Aber das Fazit ist ja Meinung, und die stimmt mich traurig. Wenn der Blinde über die Farbe redet, könnte das Resumée ebenso bedenklich sein: „Der Mehrwert von Twitter ist fraglich, der Spaß ist frei Haus.“
Wer Twitter (und viele andere dieser neumodischen Dinge in diesem Internet) von außen betrachtet, ohne sie (aus-)probiert zu haben, bleibt gerne bei Oberflächlichem hängen. Natürlich kann man seinen Spaß haben: Die Leute bei Twitter verhalten sich da nicht anders als die bei einem Stammtisch oder beim Golfen. Da wird auch meist obergeflächelt, aber manchmal eben nicht.
Ich habe über Twitter schon Jobs bekommen, ich habe durch Twitter sehr nette Menschen kennen gelernt, mir ist auf einen weniger als 140 Zeichen langen Hilferuf, der durch Weiterverbreiten (wir nennen es „Re-Tweets“) schnell schneeballartig ganz viele, mir auch unbekannte Menschen erreicht – mir ist durch so einen weniger als 140 Zeichen langen Hilferuf geholfen worden. Und zwar schnell, unkompliziert und freundlich.
Und der Mehrwert? Was für eine Frage! Der Mehrwert von RTL? Der Mehrwert einer Boulevardzeitung? Der Mehrwert einer Redaktionskonferenz? Der Mehrwert einer SMS? Des Telefons? Vielleicht der falsche Ansatz, wenn es um Kommunikation geht!
Mehr Meinung von mir habe ich einmal hier notiert…
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Ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen. Insbesondere Ulrich trifft es auf den Punkt. Um Twitter wirklich objektiv einschätzen zu können, muss man das Medium eine Weile intensiv genutzt haben. Und um es sinnvoll zu nutzen, sich vor allem auch einmal die Zeit nehmen interessante Twitter-Nutzer zu suchen.
Über Twitter habe ich eine Menge nette Leute kennengelernt und erfahre Neuigkeiten meist nicht nur schneller, sondern erfahre überhaupt erst durch Twitter davon. Mein Horizont wurde definitiv erweitert.
Ist man offen für neue Dinge und ein „Informations Junkie“, dann muss man lernen Twitter effektiv zu nutzen.
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