2009 ist ein Superwahljahr. Auf allen Ebenen werden die Parlamente vom Wähler neu besetzt, darunter auch der Sächsische Landtag. Seit die NPD 2004 mit 9,2% der Stimmen ins sächsische Hohe Haus eingezogen ist, ist das Naziproblem in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Mittlerweile kann sich kaum jemand mehr der Frage verschließen, wie es gelingen kann, die braunen Hetzredner 2009 endlich wieder aus dem Landtag zu vertreiben. Dies liegt in erster Linie in der Verantwortung der Politik. Jedoch sind auch Medien als Vermittler zwischen Wähler und Politikern in der Pflicht – bestimmen sie doch ganz wesentlich, welches Bild von der NPD die Öffentlichkeit geboten bekommt.
Doch ist es überhaupt legitim, als Medienmacher auch nur darüber nachzudenken, was man bei der Berichterstattung bei den Neonazis anders machen könnte, vielleicht sogar müsste? Zumindest für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schreibt der Rundfunkstaatsvertrag schließlich vor, dass dieser „die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit der Angebote und Programme zu berücksichtigen“ habe.
Da stellt sich die Frage, ob man die Ideologie der NPD mit Recht als „Meinung“ neben anderen Ansichten bezeichnen kann oder ob man sie eher als Verbrechen betrachten muss. Michael Bartsch, freier Autor im Dienste der taz, sieht die Journalistinnen und Journalisten in der Pflicht: „Es gibt eine Grenze, wo man sich zur Parteinahme gefordert fühlt – und das ist dort der Fall. Diese Grenze ist nicht nur durch subjektives Empfinden gegeben, sondern auch durch einen übergreifenden Konsens der Demokraten, streng genommen auch durch die Präambel und den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes.“
Verschiedene Wege führen zum Ziel – oder auch nicht
Meistens reiche aber aus, was etwa die taz im Umgang mit Rechtsaußen praktiziere: „Entlarvung durch authentische Darstellung. Man soll die Dinge sich selbst parodieren lassen.“ Für die Qualitätsmedien – auch für die taz – könne man voraussetzen, dass in deren Redaktionen über die Haltung zur NPD Konsens herrsche. Damit ist aber die Frage nach dem richtigen Vorgehen noch nicht grundsätzlich beantwortet. Die Nazis zu ignorieren hieße das Problem „unter den Teppich zu kehren“, was sich die Zivilgesellschaft – auch unter dem Eindruck des 14. Februar in Dresden – nicht leisten kann.
Definiert man Objektivität als höchstes Ziel der Berichterstattung, so wäre es angemessen, zwischen den demokratischen und antidemokratischen Parteien keine Unterschiede zu machen. Es bliebe wohl dennoch ein fader Beigeschmack, das Gefühl, sich irgendwie aus der Verantwortung gestohlen zu haben. Immerhin bekäme dann auch die Bevölkerung den Eindruck, dass die NPD eine Partei wie jede andere sei.
„Gleichbehandeln, da tue ich mich schwer. Die NPD will ja auch keine normale Partei sein, insofern kann ich sie dann auch anders behandeln“, findet Reiner Burger, Dresdner Korrespondent der FAZ. „Die NPD stößt an Grenzen, wenn man sich vorbereitet mit ihr auseinandersetzt.“
Es bleibt ein dritter Weg – argumentative Begegnung. Burger zufolge kann man dabei „auf die Kraft der Nachricht setzen, weil eine harte Nachricht für die NPD oft extrem wenig schmeichelhaft ist.“ Auch Michael Bartsch favorisiert diese Strategie. „Es geht um eine Auseinandersetzung, darum, diese Leute gegen sich selbst sprechen zu lassen. Das ist die ehrlichste und effektivste Methode.“ Die Basis dafür müsse ein Minimum an Vertrauen in den Leser bilden, das aber noch vorhanden sei. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Optimismus in den Wahlergebnissen als begründet erweist.
Besondere Bedeutung des MDR in Sachsen
Im TV-Bereich dürfte der Mitteldeutschen Rundfunk in Sachsen eine große Rolle spielen. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärt Wolfgang Kenntemich, Chefredakteur Fernsehen des MDR, dass bei der Frage des Umgangs mit der NPD zwei Aspekte von Bedeutung seien. „Juristisch sind wir verpflichtet, alle im Landtag vertretenen und zur Landtagswahl zugelassenen Parteien entsprechend ihrer Fraktionsstärke und ihrer politischen Relevanz in der Berichterstattung zu berücksichtigen.“
Auch die NPD müsse die Möglichkeit bekommen, sich im Wahlkampf darstellen zu können, „ob einem das persönlich gefällt oder nicht“. Publizistisch müsse man zwei Eigenarten bedenken: zum einen sei es wichtig, „besonders kritisch“ über eine Partei wie die NPD zu berichten, zum anderen wäre eine zu intensive Berichterstattung jedoch „kontraproduktiv“, da sie zu viel Aufmerksamkeit für die NPD mit sich bringe. Schließlich sei es wichtiger, über die „Ursachen von rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft und deren Überwindung“ zu berichten, „als eine losgelöste parteipolitisch orientierte Betrachtung der NPD“ zu betreiben.
Beachtenswert ist zudem, dass der MDR seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „in einem eintägigen Workshop auf diese Probleme sowie mögliche Reaktions- und Verhaltensmuster hinweisen“ wird und somit der NPD besondere Aufmerksamkeit widmet (vgl. „MDR: Schulung für Journalisten im Umgang mit der NPD„).
Welchen Weg sie letzten Endes gehen wollen, liegt bei den Journalistinnen und Journalisten. Die innere Pressefreiheit spielt jedoch auch eine Rolle. Mit ihr verbunden ist der Grad an Selbstständigkeit, die die im Journalismus Tätigen genießen, die Frage, ob es Vorgaben „von oben“ gibt, die die Richtung eines Medienunternehmens im Umgang mit der NPD festlegen. Für die FAZ und die taz antworten Burger und Bartsch jeweils mit „nein“.
Lachen kann helfen
Wie man das Vorgehen von Medien bezüglich der NPD bewertet, ist letzten Endes vor allem eine Frage des Rollenverständnisses, das man vom journalistischen Beruf hat. Den Nazis mit Argumenten zu begegnen, ist sicherlich die ehrlichste und praktikabelste Lösung des Problems. Allerdings stellt sie auch hohe Anforderungen an Medien und ihre Nutzer.
Der Zeitdruck einer schnellebigen Branche und der Mangel an Ressourcen bedeuten für die Medienmacher große Hindernisse. Den Lesern beziehungsweise Zuschauern verlangt eine ernsthafte und ausführliche Auseinandersetzung mit den Neonazis ein großes Maß an Zeit, Energie und vor allem Interesse ab.
Ein Mittel, diese Schwierigkeiten zu umgehen und vielleicht noch eine weit reichendere Wirkung zu erzielen, bietet die politische Satire. Wer das NDR-Magazin „extra3“ mit seinen „Neuesten Nationalen Nachrichten“ kennt, weiß um die Reize einer humoristischen Behandlung des Themas.
Es leuchtet durchaus ein, dass etwa das Bild des Mecklenburg – Vorpommernschen Fraktionsvorsitzenden der NPD, Udo Pastörs, der von einem „voll geschmierten Altkleidercontainer“ seine Anhänger indoktriniert, länger im Gedächtnis bleibt als harte Fakten. Das bestätigt auch Reiner Burger, schließlich sei das Gebaren der NPD „eigentlich lächerlich für jeden, der bis drei zählen kann“. Gleichwohl ist bei der Naziideologie die Grenze zwischen Lachen und Weinen schnell überschritten.
Der Kampf gegen die NPD erfordert das Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte. Die Medien gehören zweifelsohne dazu. Ob sie letztendlich mit ihrer Berichterstattung über die politischen Ereignisse und Inhalte bei der Wahl den Ausschlag geben, kann wohl niemand abschließend bewerten.
Verantwortung tragen sie dennoch. Solange sich die NPD jedenfalls über ihr feindlich gesinnte „Systemmedien“ empört, dürften sie ihren Job gut machen. Kevin Reißig
Dieser Text entstand im Rahmen des Seminars „Lokaler Medienjournalismus“ am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden (WS 2008/09).
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