Das Gezwitscher in Dresden wird lauter und bunter. Das liegt aber nicht nur am nahenden Frühling. Seit Beginn des Jahres scheint die Twitter-Gemeinschaft der sächsischen Landeshauptstadt zahlenmäßig zu explodieren.
Doch warum können sich der Attraktivität des Mikro-Blogging-Dienstes Twitter immer weniger Menschen entziehen? Obwohl das soziale Netzwerk Twitter erst seit 3 Jahren existiert, ist es auf dem direkten Weg sich auch in Dresden zum Massenphänomen zu entwickeln. Weltweit hat es diesen Schritt längst erreicht – mit global schätzungsweise 6 Mio. Mitgliedern.
Das Erfolgsrezept dieser revolutionären Art der Kommunikation liegt vermutlich in der unproblematischen Handhabung des Systems, denn spezielle Vorkenntnisse sind nicht nötig. Die geposteten Meldungen dürfen maximal 140 Zeichen lang sein, haben meist keinen bestimmten Adressat und können praktisch von jedem so genannten „Follower“ gelesen werden. Informationen werden somit direkt und unkompliziert an Interessierte weitergegeben.
Nicht nur Nachrichtenbeschaffung
Michael Schmehlich als twitternder Vertreter der Stadtratsfraktion der Grünen (@Rathaus_Dresden) begrüßt besonders die „Feedbacks der Follower“. Da Kommunalpolitik für ihn schwierig kommunizierbar ist, fungiert Twitter für die Stadtratsfraktion der Grünen als eine Art Bürgersprechstunde. Schmehlich geht mit seinem Lob aber noch weiter und sieht in Twitter einen „kleinen Baustein, der zur demokratischen Institutionalisierung beiträgt“. Twitter könnte nach Meinung Schmehlichs mit seinen Echtzeitinformationen zur Transparenz der Demokratie beitragen.
Aus rein experimenteller Sicht betreibt dahingegen MDR Sputnik (@MDR_SPUTNIK) einen Account. „Ein Ziel des Senders ist dabei die Leute dort abzuholen, wo sie sind“, sagt Online-Redakteur Matthias Vorndran. Man erhoffe sich so vor allem neue Zielgruppen zu erreichen und Kontakt zu den Hörern herzustellen. Doch genau darin sieht man bei MDR Sputnik auch ein Problem. Mit steigernder Zahl der Follower wird die Kommunikation aufwendiger und somit extrem kostenintensiv – falls etwa einer der Redakteure vollständig zum Twittern abgestellt werden müsste.
Suchtfaktor Offenheit
Ganz ohne Skepsis lässt sich das trendige Wunderwerk an Unterhaltung, Zeitvertreib und Nachrichtendienst also nicht betrachten. Die Möglichkeit vollkommen problemlos Verlinkungen in die eigenen Updates zu integrieren, veranlasst zunehmend auch Unternehmen, so ihre Produkte kostengünstig zu vermarkten und die Besucherzahlen auf der eigenen Webseite in die Höhe zu treiben. Die Grenze zwischen Kommunikationsplattform und Marketinginstrument ist dabei nur ein schmaler Grad.
Verwunderlich ist auch, mit welcher Offenheit manche Twitterer ihr alltägliches Leben zur Schau stellen im Bewusstsein, dass die ganze Welt mitlesen kann. Doch gerade diese persönliche Nähe, das Gefühl teilzuhaben, ist einer dieser unwiderstehlichen Reize von Twitter. Dabei können die neusten Informationen über Freunde und Familie genauso spannend sein wie der direkter Draht zu einem twitternden Prominenten.
Medien reagieren unterschiedlich
Eine Ignoranz des Phänomens Twitter scheint damit auf lange Sicht nicht möglich zu sein. Zu diesem Schluss ist auch das Lifestylemagazin „PRINZ“ gekommen. Zwar existiert bereits ein Account der Zeitschrift (@prinz_dresden). Dieser wird allerdings von der Stammredaktion in Hamburg automatisch mit Veranstaltungsterminen gefüllt. „Die regionalen Accounts sind erst in einem halben Jahr geplant“, stellte Redaktionsleiterin Kerstin Oesterreich in Aussicht.
Doch nicht alle Dresdener Medien denken so positiv in Bezug auf Twitter. Beispielsweise für die „Sächsische Zeitung“ ist Twitter nach Aussage von Pressesprecherin Grit Bloß momentan kein Thema. Die damit verbundenen Hürden, wie der personelle Aufwand, wären zu groß. Außerdem äußerte Bloß: „Wenn wir das angehen, wollen wir das richtig machen und nicht nur einfach angemeldet sein“. Das bezieht sich wohl nicht auf Recherche-Experimente einzelner Redakteurinnen.
Obwohl die Zeichen aufgrund der hohem Zuwachsraten gut für die Web 2.0-Plattform stehen, bleibt also zu beobachten, inwieweit sich Twitter tatsächlich auch in Dresden durchsetzen wird. Ina Huke
Links zum Thema „Twitter“ und „Dresden“:
Twitterer aus Dresden, geordnet nach „Followern“ bei twitterholic.com.
Suchmaschine für Twitter, hier am Beispiel „Dresden“: search.twitter.com.
Suchmaschine für Twitter, ebenfalls am Beispiel „Dresden“: tweetscan.com.
Bericht vom ersten Twitter-Treffen in Dresden bei super-illu.de.
Dieser Text entstand im Rahmen des Seminars „Lokaler Medienjournalismus“ am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden (WS 2008/09).
Mal richtig gut und anschaulich erklärt, was Twitter ist:
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2008/07/04/aks_01.xml
warum müssen denn nun sogar Beinahe-Fachartikel so reißerisch sein: von explodierenden Nutzerzahlen zu schreiben ist doch eine maßlose Übertreibung. 500.000 Dresdner, 139 (?) Twitterer…
Ist die Zahl, wie viele es aktiv nutzen, so entscheidend? Bei Blogs ist hinlänglich bekannt: der kleinste Teil der Nutzer (13%, wenn ich mich recht entsinne) sind aktive Nutzer, also Leute, die auch selbst schreiben. Die Mehrheit liest nur. Es steht ferner die These im Raum, dass auf einen Twitter-Schreiber drei bis fünf passive Mitleser kommen.
Aber ganz abgesehen davon: Schaut man sich den Informationsfluss im lokalen Bereich an, zählt Twitter derzeit – bei allen Schwächen – mit zur schnellsten, aktuellsten und umfassendsten Quelle. Es ist fast eine Art Radio im Internet, wenn man so will…
Bei twitterholic zeigt es mir für Dresden übrigens über 200 Twitterer an.
„Twitterhasser-Video – ‚Sehe fern mit meiner Katze‘
Twitter nervt? Ein Comicclip nimmt den Hype ums Microblogging auf den Arm – und erklärt doch erschreckend gut, worin die Faszination für das „latest social networking microbloggy-thingy“ liegt“, heißt es heute in der „taz“
http://www.taz.de/1/leben/internet/artikel/1/sehe-fern-mit-meiner-katze/
für mich ist die frage in sachen twitter gerade, ob durch diesen dienst Leute von einander erfahren, die 1. gleich um die ecke ganz ähnliche ding tun und sich dadurch 2. öfter finden, um zu kooperieren.