„Pro Jahr passieren im Raum Dresden und Umgebung etwa zehn Morde“, erklärte Christian Avenarius, 50, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, im Gespräch mit SZ-Redakteurin Bettina Klemm im Presseclub Dresden. Die Aufklärungsquote bei Gewaltverbrechen sei hoch. Seit 1990 lägen nur etwa zehn ungelöste Fälle vor, darunter auch der „Mordfall Hummel“ von 1991 in Laubegast. Aber alle diese Fälle würden weiterverfolgt, betonte Avenarius.
Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, müsse der Sprecher der Staatsanwaltschaft manchmal „mauern“, Informationen zurückhalten, wie beispielsweise beim jüngsten Mordfall an der Schülerin Susanne. Es sei bekannt gewesen, dass der Täter, ein 32jähriger Pakistani, geflüchtet sei, dennoch habe er diese Meldung nicht herausgegeben. Erst als feststand, dass der Täter sich im Ausland aufhält, habe die Staatsanwaltschaft den europäischen Haftbefehl veranlasst, der dann überraschend schnell zur Verhaftung in Calais geführt habe. Von England aus wäre es für den Täter leichter gewesen, nach Pakistan zu flüchten. „Diese Verhaftung war ein Fahndungserfolg der Dresdner Mordkommission und des Bundeskriminalamtes“, sagte Avenarius, der als Leiter des Jugend-Dezernates der Staatsanwaltschaft selbst mit dem Fall befasst ist.
Bei den meisten Fällen ist Avenarius „nur“ der Übermittler zur Presse. Er steht in ständigem Kontakt mit den zuständigen Staatsanwalt-Kollegen, fasst die Sachverhalte zusammen und gibt den Journalisten Auskünfte. Wann der Täter von Frankreich an Deutschland ausgeliefert wird, konnte Avenarius nicht sagen, er rechne damit in den nächsten Wochen.
Obwohl beide Staaten dem EU-Recht unterlägen, gehörten zur Auslieferung eines Verbrechers gewisse Formalitäten mit entsprechenden Fristen. „Das geht nicht innerhalb weniger Tage“, beantwortete Aveanrius Fragen aus der Journalistenrunde. Mit diesem Fall seien insgesamt etwa 20 Beamte beschäftigt gewesen. Die Fahndung geführt hätten allerdings nur drei Kriminalbeamte. Auch die Staatsanwaltschaft sei personell nicht überbesetzt, weshalb es mitunter zu Verzögerungen in der Bearbeitung kommen könne: „Auch bei uns arbeiten nur Menschen“, sagte der Oberstaatsanwalt.
Avenarius richtete den eindringlichen Apell an die Journalisten, das Gebot des Landespressegesetzes der sparsamen Nachrichten bei laufenden Ermittlungen einzuhalten und nicht, wie beim Mordfall eine alten Dame in der Neustadt, schon vor Eintreffen der Polizei mit Nachbarn oder Verwandten zu sprechen und darüber zu berichten. „Das erschwert die Wahrheitsfindung ganz erheblich“, betonte Avenarius.
Im Mordfall Marwa El-Sherbini seien die von den ägyptischen Verwandten der Ermordeten angestrengten Verfahren gegen den Richter wegen unterlassener Hilfeleistung und gegen den Polizeibeamten, wegen Körperverletzung von Ehemann Elwy Okaz durch unangemessenen Gebrauch der Schußwaffe, nach eingehender Prüfung der Situation mit Ausmessen und Zeitnehmen aller tatrelevanten Aktionen und Distanzen, vom Landgericht eingestellt worden. Roland Fröhlich