Ist Rechtsextremismus vor allem ein ostdeutsches Problem? Glaubt man dem Medienecho, könnte man das so interpretieren. Denn westdeutsche Medien berichten – im Gegensatz zu den Medien in den neuen Bundesländern – kaum über Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund.
Sebastian Schipper vom Leipziger Leibniz-Institut für Länderkunde hat den Zusammenhang zwischen solchen Straftaten und Medienberichterstattung in Karten dargestellt. Tatsächlich gab es im Osten zwischen 2005 und 2008 rechte Gewalt en masse. Besonders betroffen sind Sachsen-Anhalt (2008: 100 rechtsextreme Straftaten) und Sachsen, wo man 2008 insgesamt 126 Fälle zählte. Zahlen, die kaum jemanden überraschen dürften.
Allerdings fanden es im gleichen Zeitraum in Niedersachsen 111, in Bayern 68 und in Nordrhein-Westfalen sogar 165 rechtsextreme Straftaten statt. In den Medien vor Ort schlägt sich das aber kaum nieder. Auf einer von Schippers Karten (Karte als PDF), die das Medienecho auf rechte Gewalt zeigt, hebt sich das ehemalige Gebiet der DDR klar vom Rest der Bundesrepublik ab (siehe Bild oben).
Zwar gibt es gemessen an der Einwohnerzahl im Osten tatsächlich wesentlich mehr rechte Straftaten als im Westen – das ändert aber nichts daran, dass die „Medienecho“-Karte für Westdeutschland fast weiß ist. In westdeutschen Medien wird rechte Gewalt so gut wie gar nicht aufgegriffen.
Sicherlich haben derartige Studien auch Schwächen. Bevor ein Verbrechen überhaupt in Statistiken auftaucht, muss es der Polizei beziehungsweise den Medien bekannt sein. Die Dunkelziffer rechter Gewalt dürfte in Ost und West über den offiziellen Angaben liegen. Trotzdem zeichnen die westdeutschen Medien von den alten Bundesländern ein falsches Bild. Daran ändern auch Medienhypes wie nach dem Angriff auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl nichts. Möglicherweise unterschätzt man dadurch in den alten Bundesländern sogar die Gefahr, die von Neonazis ausgeht. Mit der Berichterstattung gerade über die NPD haben ja bekanntlich auch die Medien hier vor Ort so ihre Probleme.
Laut Verfassungsschutz gab es 2008 in Deutschland knapp 20.000 rechtsextreme Straftaten. Gegenüber 2001 ist das eine Steigerung um fast das Doppelte. In manchen Regionen schweben anders aussehende oder anders denkende Menschen schon in großer Gefahr, wenn sie einen Fuß vor die Haustür setzen. Das Problem ist nicht, dass es im Osten zu viel Berichterstattung gibt, sondern dass die westdeutschen Medien offenbar Aufholebedarf haben. Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist mit Ignoranz nicht zu gewinnen. Kevin Reißig