Der Alleingang des Freistaats Sachsen in Sachen Radio-Digitalisierung sorgt weiter für Verwunderung. Sachsen hat per Gesetz verfügt, dass ab 2014 Radioprogramme nicht mehr terrestrisch (also via UKW) zu empfangen sind, sondern nur noch digital. Das heißt, dass die Verbraucher sämtliche terretrischen Radioempfänger, wie sie heute auch immer noch in Neuwagen verbaut werden, dann auf den Müll entsorgen können – oder aber in andere Bundesländer!
Die „Sächsische Zeitung“ schreibt am 28. Januar über eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „In fünf Jahren ist in Sachsen Schluss mit dem UKW-Empfang„:
„Beim Bundesverband der Verbraucherzentralen betrachtet man den sächsischen Alleingang als ‚völlig sinnlos und aberwitzig‘. Michael Bobrowski, der den langen Weg der Digitalisierung in zahlreichen bundesdeutschen Gremien beratend begleitet, fordert einen ‚gemeinsamen Termin mit langen Übergangsfristen, für die ein teurer, bislang nicht finanzierter Parallelbetrieb beider Systeme notwendig ist‘. Zudem sehe der Verbraucher offenbar den Mehrwert nicht, doch das „per Ordre de Mufti“ durchzusetzen, sei nicht verbraucherfreundlich.“
Kritik an der SLM für Interessens-Politik
Tatsächlich ist die Umstellung auf Digitalradio schon länger problematisch; ursprünglich wollte der Freistaat die terretrischen Frequenzen bereits 2009 umstellen – da aber die Radiosender selbst, aufgrund mangelnder Empfangsgeräte bei den Hörern, keinerlei Anstalten machten, auf digitales Senden umzustellen, musste der Gesetzgeber kurzfristig die Frist bis 2014 verlängern. Im gleichen Zuge weigerte sich die zuständige Landesmedienanstalt SLM, freigewordene terretrische Frequenzen neu auszuschreiben – mit Verweis auf die Digitalisierung. Stattdessen vergab man die Frequenzen lieber an bestehende Sender. Kritik daran ließ man an sich abprallen.
Der private Blog farbfernsehen.tv kommentiert das in dem Beitrag „SLM-Frequenz-Verschiebe-Bahnhof“ heftig:
„Nun betrachtet sich die SLM nach eigenem Bekunden auch als Interessenvertreter der sächsichen Privatsender. Mal ganz nebenbei – dieser Job steht so nirgends im Gesetz, da ist nur was von Aufsicht zu lesen. Und dieser also selbst auferlegten Fürsorgepflicht für die bereits bestens mit Freuenzen ausgestatteten Sender ist die Medienanstalt jetzt beeindruckend nachgekommen.“
Und: „Sauber wäre gewesen, die BBC-Frequenzen neu auszuschreiben, auch wenns bis 2014 nicht die acht Jahre Frequenzzuweisung gegeben hätte.“
Dass sich die Masse der Bevölkerung einfach einen Technik-Wechsel vom Gesetzgeber vorschreiben lässt, scheint unwahrscheinlich – schon gar, wenn Sachsen einen Alleingang wagt und sich nicht mit anderen Bundesländern abstimmt. Tatsächlich ist fraglich, ob sich die digitale terretrische Verbreitung überhaupt durchsetzt. Es gibt ja noch nicht mal einen einheitlichen Standard der Verbreitungstechnik.
Erster Testlauf mit Internet-Radio
Die Regiocast – Deutsche Radioholding (PSR, R.SA, Apollo-Radio u.a.) sichert sich deswegen jetzt ab: Für den im August gestarteten Internetsender 90elf hat man jetzt sogar ein eigenes Empfangsgerät auf dem Markt gebracht. Der Marketing-Newsdienst „bigtrends“ berichtet unter dem Titel „90elf setzt auf W-Lan statt DAB„: „Zusammen mit dem Engeräte-Hersteller Terratec bringt Regiocasts Fußball-Sender 90elf deshalb ein eigenes W-Lan-Radiogerät auf den Markt.“
Die Entwicklung der Radiolandschaft in Sachsen bleibt, gerade auch hinsichtlich des Alleingangs des Freistaates, spannend. Die „SZ“ schreibt dazu:
„Im März berät die Länder-Rundfunkkommission das Thema, um ein koordiniertes Vorgehen abzustimmen. Doch dazu könnte es bereits zu spät sein. Der 31. Dezember 2014 steht schon in einer Neufassung des sächsischen Privatrundfunk-Gesetzes, das seit September 2008 gilt.“
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